„Ich war froh, dem Team helfen zu können“
Als gelernter Mittelfeldspieler und Trainer der Reserve hütet Rocco Velardi monatelang das Tor der Kleinglattbacher A-Liga-Mannschaft
Rocco Velardi ist 39 Jahre alt. Doch das hat ihn in dieser Saison nicht davon abgehalten, für den TSV Kleinglattbach nochmal so richtig durchzustarten und den Torwartposten für ein paar Spiele zu übernehmen.
Kleinglattbach. Die drittbeste Defensive der Fußball-Kreisliga A 3, die Relegation war lange in Sichtweite – es könnte wahrlich schlechter laufen beim TSV Kleinglattbach. Nachdem der etatmäßige Stammkeeper Tobias Lindner sich verletzt hatte, sprang Rocco Velardi, gelernter Mittelfeldmann und aktuell Spielertrainer der zweiten Mannschaft, kurzerhand ein. Wie er es schafft, auch weiterhin auf einem solchen Niveau zu kicken, verrät er uns.
Mit 34 Gegentoren in 23 Spielen stehen die Fußballer des A-Ligisten TSV Kleinglattbach in dieser Saison gut da. Dass die drittbeste Defensive sich so nennen kann, hat aber auch mit Rocco Velardi zu tun, dem Ersatztorhüter des Tabellensechsten. Der 39-jährige macht keinen Hehl daraus, dass das nicht so ganz einfach ist: „Natürlich bin ich froh, überhaupt noch in der A-Klasse mitspielen und vor allem mithalten zu können. Es ist nicht selbstverständlich, in meinem Alter noch auf so einem Niveau spielen zu können. Aber umso mehr genieße ich das jetzt.“ Nachdem sich die etatmäßige und unumstrittene Nummer eins, Tobias Lindner, verletzt hatte, durfte unter anderem auch Velardi zwischen den Pfosten stehen.
Das Kuriose: Der Fußballer ist eigentlich gelernter Mittelfeldspieler. „In der Jugend war ich lange Zeit Torhüter. Doch im zweiten Jahr der A-Jugend wurde ich auch im Feld eingesetzt, bevor ich dann ab meiner aktiven Zeit im Mittelfeld zu Hause war“, berichtet er. Er sei zwar sporadisch eingesprungen, wenn Not am Mann gewesen sei, „aber prinzipiell kam das mehr oder weniger nur gelegentlich im Training oder bei Elfmeter-Turnieren vor“, erklärt der Kleinglattbacher. Da der Verein entschieden hatte, den Torwart der zweiten Mannschaft im Teamgefüge zu belassen, sprang kurzerhand der Mittelfeldmann aus der ebenfalls zweiten Mannschaft ein. Unter seinem damaligen Trainer Ulrich Hein hatte es so etwas ähnliches bereits gegeben, als er für sieben Spiele eingesetzt wurde. „Es war für mich klar, dass ich dann aushelfe. Ich will dem Verein etwas zurückgeben“, sagt Velardi. Dass es ihm ernst ist, zeigt auch die Tatsache, dass er das moderne Torwartspiel verinnerlicht hat. „Das ist heutzutage so wichtig. Es gibt heute keinen Kreisligatorwart mehr, der nur auf der Linie rumsteht. Das war früher ganz anders. Da ging es archaisch zu“, erzählt der Kreisligafußballer. Seine Fähigkeiten als Feldspieler haben ihm geholfen, das Gefühl für das Spiel zu bekommen. „Aber unser Stammtorwart macht das noch viel perfekter“, lobt er Linder.
Zwölf Einsätze hat der eigentliche Spielertrainer der zweiten Mannschaft des TSV für die erste Mannschaft nun absolviert. Und hielt dabei glänzend. Immerhin drei weiße Westen kann Velardi für sich verbuchen. Doch der gelernte Industriebuchbinder bleibt bescheiden. „Ich habe auch das Glück, dass meine Defensive eine absolute Bank ist. Durch die Reihe weg machen die Jungs einen klasse Job und verteidigen konzentriert. Auch als wir in etlichen Spielen zurücklagen, haben sie nicht aufgesteckt und viele Partien spät entschieden“, lobt er seine Mitspieler. Dass er den Platz so oft als Gewinner verlassen habe dürfen, sei der Mannschaft geschuldet. „Ich bin ja nur der, der eingreift, wenn es brenzlig wird“, sagt Velardi.
Doch die Saison hätte für den Kleinglattbacher kaum besser laufen können. „Ich habe ja anfangs die erste Mannschaft nur als Zuschauer beobachtet. Da hat man der Mannschaft angemerkt, dass die vorige Saison kräftezehrend war“, erklärt er. Zu diesem Zeitpunkt seien die Motivation und der Wille nicht mehr so da gewesen. „Doch wir haben uns sukzessive gesteigert und durch die richtigen Impulse im Training hat sich die Mannschaft wiedergefunden und ist nun auf einem guten Weg“, findet Velardi. Das enorme Potenzial der Mannschaft habe der 39-Jährige ja ohnehin länger beobachten können: „Da die zweite Mannschaft mit der ersten zusammentrainiert, hat man das schnell bemerkt“, erzählt er. Trotz allem: Velardi hat sich der ersten Mannschaft verschrieben und will seinen Fokus auch weiterhin auf diese legen. „Ich bin Spielertrainer und auch diese Jungs sind allesamt großartig.
Doch wie macht Velardi das alles? Zwei Mal pro Woche Training, dazu seine Tätigkeit als Trainer und seinen Job. Und die Familie will auch noch etwas von ihm haben. „Es geht eigentlich ganz gut bei mir“, erklärt der Kleinglattbacher. „Meine Frau toleriert das bisher und obwohl die Tätigkeit als Spielertrainer zeitintensiver ist, bleibt genug Zeit für Anderes. Denn ich arbeite nur vormittags und kann mich so am Nachmittag auf Fußball konzentrieren. Sollte es einmal nicht klappen, ist das Trainerteam aber auch nicht böse, wenn ich einmal aussetze.“ Als gelernter Industriebuchbinder stellt Velardi Maschinen ein, die Magazine und Kataloge binden. Außerdem ist er Ausbilder und somit für die Weiterbildung und Qualifikation seiner Mitarbeiter zuständig. „Im Moment ist alles recht entspannt. Dass die Welt anders aussieht, wenn einmal Nachwuchs da ist, ist aber auch logisch“, stellt der Fußballer klar. „Da ändert sich dann der Fokus. Auch als Spielertrainer vollziehe ich langsam, aber sicher den Wechsel.“ Wie er in seinem Alter noch so leistungs- und konkurrenzfähig und vor allem fit ist? „Ich hatte früher Trainer, die den Wald nicht nur zur Naherholung genutzt haben“, scherzt er. „Da ist die körperliche Substanz ein Stück weit noch da. Außerdem blieb ich weitestgehend von Verletzungen verschont. Es ist schon auffälliger, dass es öfter mal nicht mehr so gut geht und ich nach einem Spiel oder Training länger regenerieren muss. Aber da muss man lernen, das zu steuern und in sich selbst reinzuhören. Und natürlich auch privat mehr zu machen, um sich fit zu halten“, erklärt der Buchbinder.
Auch über seine sportliche Zukunft hat sich der Kicker schon Gedanken gemacht. Nachdem Stammtorhüter Linder nun seit der Rückrunde wieder einsatzbereit ist, will Velardi keinerlei Ansprüche an einen Stammplatz stellen. „Ich war immer froh, der Mannschaft helfen zu können. Ich war immer froh, in der A-Klasse spielen zu dürfen. Aber ich wusste auch immer, dass Tobi unsere Nummer eins ist. Da gibt es auch nichts, wofür man sich schämen müsste. An ihm sind schon ganz andere gescheitert“, sagt er lachend. Mit dem Alter sehe man das etwas gelassener. „Sicher, ich bin Fußballer und damit auch ehrgeizig. Aber meine Zeit als Feldspieler ist vorbei. Ich bin in der zweiten Mannschaft genauso glücklich“, erzählt der 39-Jährige. Am Ende sei das Wichtigste, Spaß zu haben. Velardi hat aber längst noch nicht abgeschlossen mit dem Fußballsport: „Selbstverständlich will ich, solange es geht, oben mitspielen und den Ehrgeiz vorleben. Wenn es soweit ist, dass ich sage, dass mir das Ergebnis egal ist, höre ich auf“, erzählt er.
Solange er seiner Mannschaft nicht zur Last falle, sei alles gut. Da sei es auch klar, dass er ab und zu aufgezogen werde. „Aber meine Mitspieler wissen, was sie an mir haben. Das ist rein freundschaftlich“, sagt Velardi.
Quelle: VKZ